Holzschnitzel statt Heizöl: Energie aus dem Wald
Holzschnitzel statt Heizöl: Energie aus dem Wald
Seit 2009 ragt im «Stich» in der Toggenburger Gemeinde Nesslau ein 49 Meter langes und 23 Meter breites Gebäude rund 7 Meter aus dem Boden. Es handelt sich um die Heizzentrale des Holzenergiezentrums Toggenburg (HEZT), das 2010 in Betrieb genommen wurde. Die Gemeinde Nesslau-Krummenau hatte sich schon seit Jahren mit der Idee befasst, die brachliegende Holzenergie für einzelne Liegenschaften zu nutzen. Doch finanzielle Hürden verhinderten lange eine Realisierung. Die Wende brachten die Neuregelung des kantonalen Finanzausgleichs und eine positivere Haltung des Kantons gegenüber Alternativenergien.
Die SAK ist für den Stromteil verantwortlich
Anfang 2007 gründeten die Ortsgemeinde Nesslau und die Kreisalpenkorporation Krummenau-Nesslau die Genossenschaft HEZT. Sie sollte die Machbarkeit abklären und bei einem positiven Ergebnis die Energieholzzentrale mit Holzschnitzelheizung, Wärmekraftkopplung (WKK) und einem Wärmeverbund planen und verwirklichen. 2008 holte man die SAK als Partner ins Boot. Sie investierte in den Anlagenteil für die Stromerzeugung und ist auch für deren Betrieb verantwortlich. «Die Realisierung dieses Holzenergiekraftwerks ist ein Meilenstein für das Toggenburg», sagte Genossenschaftspräsident Köbi Rutz, gemäss einem Bericht im Werdenberger und Obertoggenburger, beim Spatenstich im Juni 2009. Rolf Huber, Gemeindepräsident von Nesslau-Krummenau, bezeichnete das Vorhaben als Quantensprung für das Toggenburg und seinen bedeutendsten Rohstoff.
Die Zahlen sind in der Tat eindrücklich: Die Umstellung auf Holzschnitzel brachte eine Einsparung von rund 1,2 Mio. Liter Heizöl, was einer Verringerung des CO2-Ausstosses um 2'500 Tonnen entspricht. Die Kosten beliefen sich auf 14,5 Mio. Franken. Die Heizenergie wird über ein effizient gedämmtes Fernwärmenetz zu den Wärmebezügern geführt, der Strom ins Netz der SAK eingespiesen. Das Holz stammt von den Trägern der Genossenschaft, die zusammen eine Waldfläche von 856 Hektaren bewirtschaften. Der Jahresbedarf beträgt rund 25'000 Kubikmeter Holzschnitzel.
Wärme effizient genutzt
Die Holzfeuerung verfügt über eine Leistung von 4 MW. Für die WKK wurde erstmals in der Schweiz ein ORC-Modul (Organic Rankine Cycle) eingesetzt. Dieses arbeitet wie eine Dampfturbine, wobei anstelle von Wasser Silikonöl verwendet wird, zu dessen Vorteilen eine niedrige Verdampfungstemperatur gehört. Der Druck, den das verdampfte Öl erzeugt, treibt die Turbine an, die ihrerseits elektrische Energie produziert. Das Verfahren ermöglicht eine sehr effiziente Nutzung der Wärme, werden doch rund 20% in Strom umgewandelt. Etwa 70% der Wärme werden am Ausgang des ORC-Moduls mit einer Temperatur von 90°C ins Fernwärmenetz eingespiesen. Jährlich werden 2,4 Mio. kWh Strom, was für 600 Einfamilienhäuser oder ganz Nesslau reicht, sowie 10 Mio. kWh Wärme produziert. Ans 4,5 km lange Fernwärmenetz sind mehr als 90 Kunden angeschlossen, darunter grosse Unternehmen wie der Textilbetrieb Meyer-Mayor in Neu St.Johann oder die Altherr Nutzfahrzeuge AG in Nesslau. Dasselbe Verfahren wie in Nesslau wird auch beim Holzkraftwerk Erlenhof in Gossau und bei den Wärmeverbunden Speicher-Trogen und Wittenbach angewendet.
Kein isoliertes Projekt
Die Beteiligung am HEZT – neben den Investitionen mit einem Darlehen von rund 3 Mio. Franken – war keine isolierte Aktion. «Die nachhaltige Energiegewinnung steht bei den SAK im Fokus: Die SAK betreibt Kraftwerke zur Nutzung erneuerbarer Energien und bieten Naturstromprodukte und Energiecontracting an», wurde dazu im Geschäftsbericht 2008/09 festgehalten. Die SAK unterstütze ihre Partner und Kunden im gemeinsamen Bestreben, «Energie effizient, nachhaltig und umweltbewusst zu nutzen». Und ein Jahr zuvor war im Geschäftsbericht zu lesen: «Die schweizerische Energiepolitik steht nun an einem Scheideweg, in dem Rahmenbewilligungsgesuche für drei neue AKW beim Bund eingereicht sind. Die SAK ist der Meinung, dass neue Grosskraftwerke nur dann politisch eine Realisierungschance haben, wenn der Einsatz von Kleinkraftwerken auf Basis erneuerbarer Energien voll und ganz ausgeschöpft werden kann.» Im Toggenburg schätzte man das Engagement der SAK sehr: «Ohne die Partnerschaft mit der SAK hätten wir nochmals über die Bücher gehen müssen und das HEZT würde keinen Strom produzieren», erklärte HEZT-Präsident Köbi Rutz.
Ueli Risch
Ein Galgen, ein Spargelbeet und das Generationenprojekt «Spannungsumbau»
Ueli Risch war Bereichsleiter Netz und federführend im Generationenprojekt «Spannungsumbau des Mittelspannungsnetzes», das sich über mehr als 14 Jahre erstreckte. Er bekam auch ruppig zu spüren, wenn sich Stromausfälle ereignet hatten.
Ueli Risch
«Ein Grossprojekt hat meine Jahre bei der SAK besonders geprägt: der Spannungsumbau von zehn auf zwanzig Kilovolt. Das war ein Generationenprojekt und ich leitete es 14 Jahre lang. Ab 1988 wurde jährlich während der Sommerferien eine neue Etappe umgeschaltet. Während des Wirtschaftswachstums der 1960er- und 1970er-Jahre hatte der Stromverbrauch überproportional zugenommen. Das SAK Netz war weit verzweigt und wir mussten wegen des Spannungsabfalls immer neue Trafostationen bauen – besonders im Rheintal mit seinen langen Leitungsdistanzen bereitete er grosse Probleme. Die SAK plante frühzeitig, weitsichtig und schon ab 1970 baute man Anlagen so, dass sie am ‹Tag X› nur noch umgeschaltet werden konnten. Natürlich mussten wir auch die Gemeinden und die Industriebetriebe dazu bringen, am gleichen Strang zu ziehen. So hielt ich Vorträge und wurde zum ‹Wanderprediger› in Sachen Spannungsumbau. Dabei argumentierte ich mit den Vorteilen: Man würde weniger Unterwerke benötigen, Kosten sparen, vor allem aber die Versorgungsqualität verbessern. Denn die Ansprüche waren stark gestiegen: Eine leichte Spannungsschwankung kostete zum Beispiel in einer Viskose-Spinnerei jedes Mal 30'000 Franken, weil die Maschine neu gestartet werden musste, wenn Fäden abrissen. Wir erreichten schliesslich, dass man als Gemeinschaft Verantwortung für die Stromversorgung übernahm. Alle Betroffenen übernahmen ihre Umstellkosten selbst.
Dann endlich kam der ‹Tag X›, die erste Umstellung im Raum Buchs, Gams und Grabs. Wir waren alle sehr angespannt, ein Zurück gab es nicht. Nach fünf Minuten gab es einen ‹Klapf› in einer Messstation des Elektrizitätswerks Gams. Das war nicht, was wir erhofft hatten. Es stellte sich heraus, dass Messwandler aus Kunststoff geborsten waren und das taten sie immer wieder mal. Es war also reiner Zufall, dass es jetzt passierte. Die Umschaltung auf 20'000 Volt hatte also funktioniert. Wir hatten aber einen Mitarbeiter im Rheintal, ein echter Haudegen, mit Armen wie ein Bär, der Niederspannung oft mit blossen Fingern prüfte. Der traute der neuen Spannung nicht ganz. Er stellte sich also auf einen Harass und versicherte sich mit dem Spannungsmesser, dass tatsächlich 20'000 Volt flossen.
Der SAK Job war für mich immer sehr befriedigend und schön – obwohl er Angriffsfläche bot. Kontakte mit Kunden waren mir sehr wichtig. Ich war Mediensprecher und bekam dadurch direkt zu spüren, wenn es irgendwo keinen Strom mehr gab. Man wollte uns öfter verklagen. Dem Redaktor einer regionalen Tageszeitung ging wegen eines Unterbruchs ein Bericht verloren. Am folgenden Tag publizierte er eine Seite in Schwarz, lediglich mit dem Text ‹Infolge eines Stromausfalls der SAK konnte dieser Artikel nicht erscheinen›. Ein älterer Mann zeichnete in einer schriftlichen Reklamation einen Galgen und schrieb: ‹Da gehören Sie hin.› Einer drohte mich zu erschiessen, weil man beim Graben sein Spargelbeet beschädigt hatte. Was half, war das persönliche Gespräch vor Ort. Wenn man die Leute zu Hause besuchte, sich mit ihnen an einen Tisch setzte und die Reklamation ausdiskutierte, war sie meist schnell erledigt.»
Ueli Risch war von 1984 bis 2008 bei der SAK tätig, zuletzt als Bereichsleiter Netz.
Zahlen und Fakten
Stefano Garbin (ab März 2009)
264
2’325 km2
430’000
2’771 Mio. kWh Jahresabsatz
8 Kraftwerke
36 Unterwerke
1’020 Trafostationen
4’230 km Stromnetz