Übernahme von Wiederverkäufern: Bad Ragaz sucht Anschluss
Übernahme von Wiederverkäufern: Bad Ragaz sucht Anschluss
Rund 80 lokale Energieversorgungsunternehmen (EVU) bezogen im Geschäftsjahr 2012/13 ihren Strom von der SAK. Ihre Zahl ging im Lauf der Jahre zurück: 1988/89 waren es noch beinahe 100 gewesen. Vereinzelte EVU wurden von der SAK übernommen. So zum Beispiel das Elektrizitätswerk Bad Ragaz (EWR), das nach der Übernahme mit der SAK fusioniert wurde.
Gründerfamilien ohne Nachfolge
Das EWR existierte seit 1892. Damals gründete Martin Bächtold ein privates Unternehmen, dem er den Namen AG für elektrische Installationen gab. Gut 110 Jahre später fehlte in der Gründerfamilie Bächtold-Rau, zu welcher auch der frühere Weltwoche-Chefredaktor Rudolf Bächtold gehörte, die Nachfolge, weshalb sie ihr Aktienpaket von noch 39% der SAK andiente. Zusammen mit den 16%, welche die SAK bereits besass, wurde sie damit Anfang 2005 Mehrheitsaktionärin des EWR. Weitere Aktionäre waren die Gemeinde Bad Ragaz mit 18%, die Axpo Holding mit 6%, die Gemeinde Pfäfers mit 5% sowie rund 180 Kleinaktionäre mit 16%.
Der Erwerb des Aktienpakets wurde damit begründet, dass sonst die Stabilität des Aktionariats des EWR nicht mehr gewährleistet wäre. Das EWR machte einen Umsatz von 47 GWh, wovon rund 65% auf Haushalte und Gewerbe entfielen. Das Versorgungsgebiet umfasste die Politischen Gemeinden Bad Ragaz und Pfäfers, war im Süden begrenzt durch die Kantonsgrenze und schloss im Norden an das Gebiet Sargans an, das von der SAK direkt versorgt wurde. «In einer ersten Übergangsphase (ca. 5 Jahre) wird das EW Bad Ragaz unverändert weitergeführt, der jetzige Verwaltungsratspräsident bleibt im Amt, neu werden die SAK direkt Einsitz in den Verwaltungsrat nehmen», hiess es damals im Verwaltungsrat, wobei Veränderungen bereits angedacht waren. Die Gemeinden wollte man als Aktionärinnen behalten, während anfragenden Kleinaktionären ein Kaufangebot gemacht werden sollte. «Die vorgeschlagene Aktion macht aus unserer Sicht für alle Parteien Sinn und bringt den involvierten Unternehmen und deren Kunden grosse strategische Vorteile», wurde festgestellt, bevor der Verwaltungsrat den Kredit für den Kauf der Aktien der Familie Bächtold bewilligte. Und es sollte keine isolierte Aktion bleiben. Die Geschäftsleitung erhielt den Auftrag, zu prüfen, «welche Netze strategisch zu den SAK passen würden und welche nicht». Daraus sei eine Liste mit möglichen Kandidaten zu erstellen. Man betrachtete die Übernahme als Pilotprojekt, das als Vorbild für weitere ähnliche Transaktionen dienen könne.
Auch die Gemeinde verkauft
Die Sache entwickelte sich dann schneller als geplant. Bereits im Geschäftsbericht 2006/07 konnte festgestellt werden, dass die SAK auch die restlichen 45% des EWR erworben habe. Nachdem die Gemeinde Bad Ragaz ihre Aktien der SAK angeboten hatte, unterbreitete die SAK auch den restlichen Aktionären ein Angebot, wobei die grösseren Aktionäre einen so genannten Paketzuschlag, also einen besseren Preis als die Kleinaktionäre erhielten. Das Netz und der Netzbetrieb des EWR wurden in die SAK integriert, wo sie mit dem Netz Sargans zusammengelegt wurden. Die Regionalvertretung Sargans wurde aufgehoben und mit Bad Ragaz in der neuen Regionalvertretung Sarganserland vereinigt. Für die Kunden in Bad Ragaz hatte die ganze Transaktion eine Senkung der Strompreise zur Folge. Der Verkaufserlös für das Netz floss als Sonderdividende an die bisherigen Aktionäre des EWR und damit auch an die SAK.
Klar war von Anfang an, dass sich die SAK vom ebenfalls übernommenen Installations- und Verkaufsgeschäft trennen wollte. «Die SAK beabsichtigen auch in Zukunft nicht im Bereich Installationen tätig zu sein», erklärte dazu Verwaltungsratspräsident Hans Ulrich Stöckling. Kaufinteressenten waren vorhanden. Beim Verkauf sollte darauf geachtet werden, dass die Arbeitsplätze in der Region erhalten blieben. Auf Anfang 2008 wurde auch dieser Schritt vollzogen: Das zuvor in die neu gegründete ewr elektro ag ausgegliederte Installationsgeschäft wurde an die elektro tschirky ag bzw. die ebenfalls neu gegründete Tschirky Holding mit Sitz in Malans verkauft.
Nur einer wollte nicht
Nur einer, ein Kleinaktionär, stellte sich quer: «Ein Aktionär des EWR hat den SAK seine 10 Aktien nicht verkauft», hiess es im Februar 2008 im Verwaltungsrat, als es um die Fusion des EWR mit der SAK ging. Eine nochmalige Bewertung durch eine Treuhandgesellschaft ergab aber, dass das Angebot der SAK an die Aktionäre «gerechtfertigt und fair» war.
Hans Ulrich Stöckling
Zwei grosse Herausforderungen und die «Aufnahmeprüfung» im Stollen
Hans Ulrich Stöckling war von 1990 bis 2010 Verwaltungsratspräsident der SAK. Diese Funktion brachte insbesondere zwei grosse Herausforderungen mit sich: die Begleitung des Unternehmens auf seinem Weg zu mehr Marktwirtschaft und das Projekt Hexagon.
Hans Ulrich Stöckling
«Als ich zum Verwaltungsratspräsidenten gewählt wurde, versicherte mir mein Vorgänger, der Job sei problemlos, das Unternehmen laufe bestens und das Umfeld sei sicher. Das war nicht ironisch gemeint, denn die Kontroverse über eine mögliche Marktöffnung war damals nicht abzusehen. Auch begann sie noch relativ behutsam. Sie wurde erst nach zwei, drei Jahren schärfer und mit ihr wuchs die Unsicherheit. Alle Akteure strebten in unterschiedliche Richtungen, auch die Signale der Politik waren widersprüchlich. Ich sprang, wenn man so will, ins kalte Wasser. Ein privatwirtschaftliches Unternehmen kennt in der Regel sein Marktumfeld ebenso wie die Bedingungen unter denen es sich bewähren muss. Wir hingegen kannten weder Ersteres noch Letzteres. Wir bewegten uns ständig wie in weichem Wachs. Ging man von einer Annahme aus, wurde die mit dem nächsten Bericht wieder weggefegt. So stiessen wir, was nachvollziehbar ist, mit unserer wechselhaften Kommunikation auf wenig Verständnis bei unseren Geschäftspartnern.
Dann begann die Debatte um das Projekt Hexagon. Man wollte die Stromversorgung in der Nordostschweiz durch Integration verschiedener Kantonswerke und der NOK unter das Dach der Axpo sichern. Man nahm an, dass der Druck auf die Strompreise zunehmen würde und dass die Synergien nach einem Zusammenschluss diesen Druck mindern könnten. Die Debatte verkam allerdings zum absurden Theater. War ein Akteur mit einem Konzeptinhalt nicht einverstanden, wurde das Konzept vom Anwaltsbüro, das den Lead hätte haben sollen, sofort angepasst und an alle anderen Akteure verschickt. Papier wurde in einem solchen Rhythmus verschickt, dass ich am Schluss einen gigantischen Stapel ungeöffneter Post zum Projekt hatte. Politisch war Hexagon das eigenartigste Vorhaben, das mir untergekommen ist. Ausgenommen wenige Verwaltungsräte, war niemand von seiner Sinnhaftigkeit überzeugt. Allerdings wagte es auch niemand zu fordern, dass man Hexagon doch klüger einstelle. Informell zweifelte man am Erfolg des Vorhabens, formell verbreitete man ungetrübten Optimismus. Zum Glück stellte der Zürcher Kantonsrat das Projekt dann ein.
Intern lief das Geschäft gut, es stellte sich allerdings die Frage nach der Tauglichkeit der Unternehmensstruktur. Wir waren damals eher Bank als Industriebetrieb: Der Betriebsertrag der SAK lag bei 5 Millionen, der Finanzertrag aus der Axpo-Beteiligung bei 17 Millionen Franken. Andere Kantone waren direkt an der Axpo beteiligt und erhielten entsprechend Dividenden auf direktem Weg. Wir hingegen leiteten sie jedes Jahr an den Kanton weiter. Vorher aber ‹verfälschten› diese Finanzerträge zumindest die grossen Linien des SAK Jahresberichts. Es lag darum nahe, das Unternehmen in eine Holding und eine Betriebsgesellschaft aufzuteilen. Heute entspricht die Jahresrechnung dem tatsächlichen Ergebnis der Betriebsgesellschaft. Wichtig war auch der Einsatz einer Geschäftsleitung anstelle eines Direktors mit Abteilungsleitern als Vorbereitung auf die Marktöffnung. Sie wurde nach natürlichen Abgängen durch Personen gebildet, die nach veränderten Gesichtspunkten ausgewählt wurden: Lag früher das Schwergewicht auf der technischen Kompetenz eines Kaders, war nun eher marktwirtschaftliche Expertise gefragt. Wir verkleinerten auch den Verwaltungsrat, womit politische Faktoren eine zweitrangige Rolle zu spielen begannen.
Schön in Erinnerung ist mir die ‹Aufnahmeprüfung› für neue Mitglieder des Verwaltungsrates: Der Gang durch den Stollen des Kraftwerks Kubel. Der Stollen musste von Zeit zu Zeit inspiziert werden und dafür wurde er vollkommen entleert. Neue Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte begingen bei dieser Gelegenheit den mehrere Kilometer langen, mit Pfützen gespickten Stollen, stellenweise aufrecht, stellenweise gebückt – eine schöne Tradition.»
Hans Ulrich Stöckling war von 1988 bis 2008 Vorsteher des Bildungsdepartementes des Kanton St.Gallen und von 1990 bis 2010 Verwaltungspräsident der SAK.
Zahlen und Fakten
250
2’325 km2
400’000
2’700 Mio. kWh
7 Kraftwerke
37 Unterwerke
930 Trafostationen
ca. 4’100 km Stromnetz