Ausbau des Netzes: Eine Daueraufgabe
Ausbau des Netzes: Eine Daueraufgabe
Die Schweiz ist stolz darauf, dass (fast) jedes Haus einen Stromanschluss hat. In städtischen Gebieten ist dies leichter zu bewerkstelligen als in vergleichsweise abgelegenen, dünn besiedelten Regionen, was Differenzen bei der Rentabilität schafft. So war das Netz der SAK 2002 doppelt so lang wie dasjenige der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ), transportierte aber nur halb so viel Strom. «Wir leiten den Strom buchstäblich rund um den Säntis, während die EKZ alle paar Meter einen Grosskunden beliefern», sagte Verwaltungsratspräsident Hans Ulrich Stöckling gemäss dem St.Galler Tagblatt, als er diese Zahlen präsentierte. Im SAK Netz wurde pro Kilometer nur ein Viertel der Strommenge transportiert, welche die EKZ umsetzten. Das mache das SAK Netz vergleichsweise teuer, und Rationalisierungsbemühungen seien umso wichtiger. 56 von 260 SAK Mitarbeitenden arbeiteten 2001 im Bereich Netzbau.
«… eine neue Transformatorenstation erforderlich»
Ausbau, Erneuerung und Sanierung des Netzes sind Daueraufgaben der SAK und entsprechende Kredite gehören im Verwaltungsrat zu den stets wiederkehrenden Traktanden. Im Geschäftsbericht 1992/93 wurde festgestellt, die Verschuldung habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen, «weil sich die umfangreichen Netzausbauten nur teilweise aus eigenen Mitteln finanzieren lassen». Als Folge der Spannungsumbauten auf 110 und 20 kV stehe weiterhin ein hoher Investitionsbedarf an. Die Umbauten würden zwar zeitlich erstreckt, soweit es die technischen Verhältnisse erlaubten. Dennoch reiche der Cashflow zur Finanzierung aller Investitionen in den kommenden Jahren nicht aus.
Entsteht in einem Dorf ein neues Quartier, so wollen selbstverständlich auch dessen Bewohnerinnen und Bewohner einen Stromanschluss. «Im Raum Ermenswil in der Gemeinde Eschenbach wird neues Bauland für 5 Mehrfamilien- und 16 Einfamilienhäuser erschlossen. Für die Versorgung des neu entstehenden Quartiers an der Dreierwaldstrasse ist eine neue Transformatorenstation erforderlich», hiess es zum Beispiel im April 2010 im Antrag Netzausbau Dreierwaldstrasse. «Die Transformatorenstation Dreierwaldstrasse wird in die bestehende Mittelspannungskabelleitung zwischen der Schaltkabine Diemrütistrasse und der Transformatorenstation Ermenswil eingeschlauft.»
2014 umfasste das Verteilnetz der SAK eine Stranglänge von 1'250 Kilometern in Mittelspannung und 3'000 Kilometern in Niederspannung sowie 37 Unterwerke und 1'040 Trafostationen. Wo in den letzten Jahren lokale Verteilnetze angeboten wurden, versuchte die SAK diese zu übernehmen. Sie befand sich dabei aber meist in einem harten Bieterwettbewerb. Rund um die Infrastruktur von Energieanlagen offeriert die SAK technische Dienstleistungen auch Dritten. Dazu gehören Engineering, Bau, Betrieb und Instandhaltung sowie unterstützende Prozesse in Netzqualität und Energiemessung. Ferner übernimmt die SAK die Betriebsführung von Netzen, inklusive Last-, Spannungs- und Qualitätsüberwachung sowie 24-Stunden-Störungsdienst. Neu hinzugekommen ist ab 2010 der Bau eines Glasfasernetzes, das 2013 auch schon eine Länge von mehr als 1'570 Kilometern aufwies.
Netzlandschaft in Bewegung
Weil mit der Liberalisierung die Trennung von Produktion und Netz verlangt wird, ist die Netzlandschaft allgemein in Bewegung geraten. Die grossen Stromverbundunternehmen gründeten die nationale Netzgesellschaft Swissgrid, die für das 6'700 Kilometer lange schweizerische Höchstspannungsnetz (220/380 kV) verantwortlich ist und seit der Marktöffnung für Grosskunden 2009 «als unabhängige Organisation den transparenten und diskriminierungsfreien Zugang zum Schweizer Übertragungsnetz gewährleistet», wie es auf der Website von Swissgrid heisst. Anfang 2013 wurde die Swissgrid auch Eigentümerin des Netzes, dessen Ausbau- und Modernisierungsbedarf enorm ist.
Im Zeichen der Verschlechterung der finanziellen Lage vieler Stromgesellschaften kam es 2014 zu Wechseln im Swissgrid-Aktionariat, wobei reine Investoren die Energieunternehmen teilweise ablösten. So lagerte die grösste Aktionärin, die mit rund 2 Mrd. Franken verschuldete Alpiq, ihre Aktien in eine neue Tochtergesellschaft aus, an der über eine Schweizer Anlagestiftung eine Gruppe von privaten und öffentlich-rechtlichen Schweizer Pensionskassen mit 49,9% beteiligt ist. Auch die BKW reduzierte in ähnlicher Weise ihre Swissgrid-Beteiligung.
Mario David
Ein Leitsystem auf Holz und Briefentwürfe auf Apollo
Mario David war Geschäftsleitungsassistent, seine Karriere bei der SAK begann er 1972 als Projektleiter in der Abteilung Netze – in einer Zeit, als die Digitalisierung in den Kinderschuhen steckte und man Leitsysteme noch als Schreibmaschine zweckentfremden konnte.
Mario David
«Zu Beginn meiner Zeit bei der SAK bauten wir mehrheitlich Freileitungen, um Strom zu verteilen. Sie garantierten dank guter Bauweise eine relativ hohe Versorgungssicherheit, nachdem sie bis zu den 1970er-Jahren eher störungsanfällig gewesen waren: Fast jeder Blitz konnte eine Freileitung lahmlegen. Um die Investitionen der 1980er-Jahre in neue Anlagen zu finanzieren, nahm die SAK Anleihen mit bis zu acht Prozent Verzinsung auf. Ich realisierte beispielsweise eine Freileitung von unserem Kraftwerk Kubel bis nach Engelburg. Wir bauten eine Kabelleitung bis zur Fürstenlandbrücke, errichteten dort einen Betonmasten und führten den Strom via Freileitung unter der Fürstenlandbrücke durch, quer übers OpenAir-Gelände, durchs Bellonatal via St.Josefen nach Engelburg. Einige Jahre später sollte die Autobahnbrücke saniert werden, was eine Verlegung der Freileitung in den Boden nötig machte. Der Abschnitt durchs OpenAir-Gelände wurde anschliessend ebenfalls in den Boden gelegt, denn während des Festivals hatte die Freileitung jeweils ausgeschaltet werden müssen. Die Kuppel der Hauptbühne reichte nämlich gefährlich nahe an die spannungsführenden Leitungen heran. Im Sittertal folgte ein weiterer Abschnitt und unterdessen verläuft beinahe die Hälfte der ursprünglichen Freileitung nach Engelburg im Boden.
Die Störungsbehebung war zu Beginn meiner Arbeit als Pikett-Ingenieur sehr aufwendig und riskant. Es gab noch keine Mobiltelefone und wir besassen lediglich einen Autoruf. Damit liess sich immerhin eine Einwegmeldung an den Monteur im Störungsgebiet absetzen. Auf seinem Empfänger leuchtete dann ein Lämpchen, worauf er sich ein Festnetztelefon suchen musste, um uns zu antworten. Er klingelte also, manchmal nachts um zwei, bei Wildfremden an der Tür und bat darum, telefonieren zu dürfen. Wir erklärten ihm, in welchem Gebiet es ‹dunkel› ist und dann hörten wir manchmal mehrere Stunden nichts mehr von ihm. Wir wussten weder, ob es ihm gut geht, noch, was er gerade macht. Irgendwann kam schliesslich seine Meldung, dass die Störung behoben sei. Bis dahin operierten wir sozusagen im Nebel.
Vor der Ära digitaler Leitsysteme bildeten wir zur Übersicht das Leitungsnetz auf einer vier mal zwei Meter grossen Holzwand ab. In den feinsäuberlich mit Tusche aufgezeichneten Leitungen steckten ‹Töggeli› für die Schaltstellen. Besondere Schaltzustände markierten wir mit farbigen Plastikschnüren. Anfang der 1980er-Jahre führten wir ein digitales Leitsystem ein, Datenbank und Programme wurden auf einer Apollo Workstation installiert. Wir hatten dieses System zusammen mit Landis & Gyr entwickelt. Die Schalter liessen sich mit der Maus anwählen und ein- bzw. ausschalten. Ich entfremdete die Workstation gelegentlich ihrem Zweck und nutzte sie als Schreibmaschine – elektrische gab es nicht und das Tippen auf mechanischen war mühsam. So entwarf ich Briefe und technische Dokumente und liess sie vom Sekretariat ins Reine schreiben.»
Mario David war von 1972 bis 2013 bei der SAK tätig, zuletzt als Geschäftsleitungsassistent.
Zahlen und Fakten
260
2’325 km2
400’000
2’614 Mio. kWh
7 Kraftwerke
39 Unterwerke
921 Trafostationen
ca. 4’000 km Stromnetz