Wirbel im Kantonsrat – zum Beispiel wegen der Durchleitungsrechte
Wirbel im Kantonsrat – zum Beispiel wegen der Durchleitungsrechte
Die SAK ist zwar seit ihrer Gründung eine Aktiengesellschaft. Aber sie befindet sich zu 100% im Besitz der öffentlichen Hand. Die Aktionärskantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden sind im Verwaltungsrat – meist mit Regierungsräten – vertreten. Im Geschäftsjahr 2005/06 sassen im neunköpfigen Gremium vier Regierungsräte, ein alt Regierungsrat, ein Gemeindepräsident, ein alt Gemeindepräsident, ein Geschäftsführer und ein Unternehmer.
Selbstverständlich wollen auch die Kantonsparlamente hie und da mitreden. So reichen Kantonsrätinnen und Kantonsräte regelmässig Vorstösse zum Thema SAK ein. 2006 zum Beispiel stellte der Geschäftsführer des St.Galler Bauernverbands, CVP-Kantonsrat Andreas Widmer (Mühlrüti), in einer Interpellation Fragen zu den Durchleitungsrechten. Die Durchleitungsrechte für den Leitungsbau und die Höhe ihrer Entschädigung sind ein uraltes Thema: «Mit viel Geduld und anständigem Verhalten jenen gegenüber, denen wir mit unseren unvermeidlichen Eingriffen in ihr Eigentum oder in die Natur und Landschaft keine Freude bereiteten, haben wir doch bis jetzt erfolgreich ein bemerkenswert gutes und sicheres Stromversorgungsnetz aufgebaut, das sich heute sehen lassen kann und anerkannt wird», schrieb Direktor Mario Schnetzler dazu in der SAK Zitig 2/93.
Strom und Daten
In der erwähnten Interpellation ging es um die Frage, ob die SAK ihre Stromleitungen auch für den kommerziellen Datenverkehr nutzen dürfe. Das Bundesgericht hatte in einem Urteil festgehalten, dass bei bestehenden Durchleitungsrechten keine Nutzungsänderung oder sogar Vermietung an Dritte für den Strom- und Datentransport ohne Einwilligung des betreffenden Grundeigentümers gestattet sei. Unter anderem wollten Widmer und seine Mitunterzeichner nun wissen, ob neue Dienstbarkeitsverträge ausgehandelt werden müssten und ob die Umnutzungen finanzielle Auswirkungen auf die Entschädigungshöhe der Grundeigentümer hätten. Konkret: Gab es für die Grundeigentümer, die Strommasten auf ihrem Land zu dulden hatten, mehr Geld, weil durch die Leitungen nicht nur Strom floss, sondern diese auch für den Datentransfer zum Beispiel der UBS, von Regionalbanken oder der St. Galler Kantonsverwaltung zur Verfügung gestellt wurden?
Die Regierung verwies in ihrer Antwort auf die Branchenlösung, die gegenwärtig zwischen dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und dem Bauernverband ausgehandelt werde, was die Interpellanten aber nicht zufriedenstellte. VSE und Bauernverband einigten sich zwar 2007, aber das Thema wurde am Kochen gehalten: Ab 2012 waren die beiden Verbände erneut am Verhandeln, 2013 verlangte der Schweizerische Bauernverband höhere Entschädigungen bei der Enteignung von Landwirtschaftsboden, und 2014 doppelte Bauernführer Widmer im Kantonsrat mit einer Kleinen Anfrage nach. In dieser zog er die Unabhängigkeit der Regierung in Zweifel, weil der Kanton St.Gallen Mehrheitsaktionär der SAK ist. Die Regierung verwies darauf, dass in den angesprochenen Fragen nicht die Regierung entscheide, sondern Bundesbehörden oder die kantonale Schätzungskommission.
Breite Palette
Die Themenpalette der parlamentarischen Vorstösse ist breit: Selbstverständlich beschäftigten vor allem auch die Auswirkungen der Strommarktöffnung die Parlamentarierinnen und Parlamentarier. «Axpo-Kurzschluss? – oder: Sind die Sicherungen für die langfristige Stromversorgung intakt?», fragten zum Beispiel Erich Renner (Engelburg) und Peter Jans (St.Gallen) am 7. Mai 2001. 2005 forderte die SP «Demokratie und Mitsprache bei Atomanlagen». 2007 wollten 42 Parlamentsmitglieder wissen, wie die Ostschweizer Verwaltungsratsmitglieder die Atompolitik bei SAK und Axpo beeinflussten. Eine Standesinitiative zur «Verkürzung von Bewilligungsverfahren für Energieproduktionsanlagen» verlangte die FDP. Eine Motion wollte die Regierung beauftragen, sich gegen Gas- und Kohle-Grosskraftwerke zu wehren. Der Unternehmer Ernst Dobler (CVP, Oberuzwil) schliesslich, von Beruf Elektroingenieur, fragte 2009: «Zocken staatliche Stromkonzerne wie die Banken?» Dobler hatte mit seiner Interpellation den Handel der Axpo-Tochter EGL mit Energiederivaten (Optionen auf Strom) im Visier und erkundigte sich nach den Konsequenzen, die ein Worst Case für den Kanton St.Gallen und seine Stromwirtschaft hätte, die indirekt Miteigentümer der EGL sind. Die Regierung sah keinen Anlass, deswegen beim Axpo zu intervenieren.
Max Huser
Nesslau wird saniert und verkabelt und Alpen mit Strom versorgt
Max Huser war Leiter der Regionalvertretung Toggenburg. Er arbeitete viele Jahre zugunsten einer sicheren Stromversorgung im Tal. Dass er hier aufgewachsen war und den Dialekt beherrscht, war in den Verhandlungen mit Einheimischen durchaus kein Nachteil.
Max Huser
«Die Entwicklung, die die SAK während meiner Jahre dort vollzogen hat, war eindrücklich. Ich kam 1975 als Betriebsmonteur dazu, als man Aufträge noch in ein Blöckchen mit drei Durchschlägen notierte und verliess das Unternehmen, als sie ausschliesslich digital über SAP geführt und abgerechnet wurden. Wir hatten anfangs Funkgeräte, die man kaum tragen konnte, und am Schluss wenige Gramm leichte Mobiltelefone. Im Grund erledigten wir immer dieselbe Aufgabe, nutzten dafür aber immer raffiniertere Hilfsmittel. Auch organisatorisch veränderte sich viel: Man legte Platzvertretungen zusammen und schliesslich das gesamte Toggenburg. Aus fünf Platzvertretungen wurde eine Regionalvertretung, ohne dass Mitarbeitende haben entlassen werden müssen.
Ich wuchs in Nesslau auf, die Netzsanierungen und Leitungsverkabelungen in der Region waren für mich deshalb eine Besonderheit. Sie hatte in den letzten Jahren etwas im Schatten des oberen Toggenburgs gestanden, auch die Stromversorgung hatte dort lange höhere Priorität. Als Regionalvertretungsleiter begann ich, veraltete oder schwächer ausgebaute Gebiete, wie eben in der Gemeinde Nesslau, zu sanieren. Wir kümmerten uns um die ‹Schattenhalbseite› zwischen Krummenau und Nesslau und die ‹Sonnenhalbseite› um den Ämelsberg und Ennetbühl. Es entstanden neue Trafostationen und ein grosser Teil der Hoch- und Niederspannungsleitungen wurde in den Boden verlegt. Die bei Sturm regelmässig auftretenden Störungen gehörten nun der Vergangenheit an, die Versorgungssicherheit und -qualität verbesserte sich markant.
Schön in Erinnerung habe ich auch die Erschliessung von Alpgenossenschaften. Die erste Alp verkabelten wir im Rahmen der Sanierung zwischen Krummenau und Ämelsberg. Hier war einem Älpler die Hütte samt Stall niedergebrannt. Ich mochte es, die neue Leitungsführung abzuklären und auszustecken und mit den Alpbesitzern zu verhandeln. Zudem ging man auch eher bei sonnigem Wetter und nicht, wenn es ‹Katzen hagelte›. Unter dem Strich habe ich wohl für zehn Alpen die Stromversorgung mitprojektiert. Erschlossen wurden ausschliesslich Alpen der ersten Stufe, gleich über dem Talbetrieb. Diese Alpen haben sich modernisiert oder zusammengelegt, haben Scheunen gebaut und benötigten nun Strom für eine moderne Melkanlage.
Die schönste Alp war die Stiege und ihre Umgebung. Ich kannte die Leute, sie waren Teil meiner Herkunft. Ich durfte verhandeln, Wege und Lösungen finden, die für uns und sie vertretbar waren und ermitteln, was sie anschliessen wollten und wie viel Energie sie dafür benötigen würden. Dass ich selbst Toggenburger bin, half mir, mit den eher misstrauischen Toggenburger Köpfen zurechtzukommen. Es ging eindeutig ‹ringer›, wenn man den Dialekt der Leute sprach und einen Nachnamen aus der Region trug. Allerdings durfte auch ich nicht mit der Tür ins Haus fallen: Planskizzen als Gesprächsgrundlagen waren besser als fertige Pläne. Ich setzte auch nie einen Fuss auf fremdes Land, ohne dass der Besitzer das wusste. Ich möchte ja auch nicht, dass jemand in meinem Garten rumläuft, mit Pfählen und ‹Eisenschlegel›. Da würde auch ich sehr schnell fragen: ‹Was willst du?› Wenn du also unangemeldet mit einem Messband in der fremden Wiese rumstolperst, kommt das schlecht an. Das ist eine Frage des Anstands.»
Max Huser war von 1975 bis 2012 bei der SAK tätig, zuletzt als Leiter der Regionalvertretung Toggenburg.
Zahlen und Fakten
288
2’325 km2
400’000
2’800 Mio. kWh
7 Kraftwerke
37 Unterwerke
931 Trafostationen
ca. 4’200 km Stromnetz